Schweiz (k)ein sicherer Hafen?
Galt die Schweiz bis zur Finanzkrise als ein Hort für „diskretes“ Vermögen, hat sich seitdem eine neue Industrie entwickelt, die auch kleinen Privatanlegern Finanzprodukte mit Domizil in der Schweiz verkauft.
Es handelt sich hauptsächlich um Produkte, die in Gold und Silber investieren. Bei den Angeboten der Finanzindustrie für Privatkunden ist es immer interessant, auf die Kosten zu schauen. Schließlich handelt es sich bei der Schweiz um kein „Billiglohnland“.
Das nur als Tipp voraus. Der Kostenfaktor soll nicht Thema dieses Artikels sein – schließlich sind Menschen bereit höhere Gebühren zu zahlen, wenn sie im Gegenzug eine höhere Sicherheit erhalten.
Ist Vermögen in der Schweiz wirklich sicher?
Schließt man Raub oder Veruntreuung aus, muss man die Sicherheit nach rechtlichen Aspekten beurteilen. Seitens der Produktanbieter wird gerne auf die „Unabhängigkeit“ der Schweiz seit 1291 verwiesen. Damit ist ein inoffizieller und mythologisierter Bundesbrief, unterzeichnet von Vertretern der Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden, gemeint. Siehe auch Wikipedia dazu.
Die Schweiz in der heutigen Form besteht seit 1848. Ihr gelang es, sich aus den letzten europäischen Kriegen herauszuhalten, was sicherlich auch von der Geografie (hohe Berge) begünstigt wurde.
Schweizer Bankgeheimnis ist passé
Zudem bot die Schweiz in der Vergangenheit (heute nicht mehr) ein gesetzlich verankertes Bankgeheimnis. An dieser Stelle sieht man schon, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen jederzeit ändern können. Zum Nachteil der vermögenden Klientel geschieht das meist dann, wenn ein Staat ums finanzielle Überleben kämpft.
Die Schweiz hat ihr Bankgeheimnis nicht freiwillig aufgegeben. Die Gesetzesänderung erfolgte auf enormen Druck aus den USA. Auch Deutschland und Frankreich haben ebenso deutlichen Druck ausgeübt und multinationale Institutionen eingeschaltet. Stichwort: Schwarze Liste für Steuer(hinterziehungs)oasen.
Ob, wann und wie künftig weitere Gesetze zum Abschöpfen von Vermögen erlassen werden, das wissen wir heute nicht. Deswegen lässt sich schlecht beurteilen, ob Vermögen, dass in die Schweiz geschafft wurde, vor einer Abgabe sicher ist.
Zugegeben: Dass solche Gesetze kommen werden, ist wahrscheinlich, da die Finanzlage des deutschen Staates im Rahmen der europäischen Gesamtschulden sehr angespannt ist und immer wieder Vorschläge zur „privaten“ Vermögensabgabe durch die Presse geistern.
Enteignungsgesetze in der EU nicht mehr unwahrscheinlich.
Zuletzt gab es ein Gedankenspiel des Internationalen Währungsfonds (IWF), dass doch bitte jeder 10 % seines Vermögens abgibt, damit die Schuldenuhren der europäischen Staaten wieder ein paar Jahre zurückgedreht werden können.
Höchstwahrscheinlich würde man gewisse Freibeträge zugestehen, damit man das Wahlvolk hinter sich hat und nur die vermeintlich „Reichen“ betroffen sind. Nach diesem Muster wurde übrigens die Einkommensteuer 1891 eingeführt.
Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Menschen sich Sorgen um ihre Ersparnisse machen und nach Wegen suchen, einer Enteignung zumindest teilweise entgehen zu können.
Da wir unmöglich wissen können, ob es zwischen Deutschland und der Schweiz künftig eine „Kooperation“ in Sachen „Vermögensbesteuerung“ geben wird, bleibt uns nur der gesicherte Blick in den Rückspiegel.
Ja, hat es!
Dieser Fakt wird häufig in den Präsentationen von Firmen, die Vermögensanlagen in der Schweiz offerieren, nicht genannt. Böse Absicht zu unterstellen wäre verkehrt. Es ist davon auszugehen, dass die meisten heutigen Akteure schlicht nichts darüber wissen. Deswegen – und darauf dürfen Sie gerne verlinken – schreibe ich diesen Artikel so ausführlich.
Dieser Artikel arbeitet eine wichtige historische Tatsache auf, stellt sozusagen einen gewissen Gegenpol zur bisherigen, eher einseitigen und glorifizierten Darstellung über die Schweiz als „sicherer Hafen“ für Vermögenswerte dar.
Ziel dieser Schrift ist es nicht, sich für oder gegen eine Vermögensakkumulation in der Schweiz auszusprechen, sondern so neutral wie möglich über einen bisher kaum beleuchteten Umstand zu berichten.
Krisensituation für Vermögenswerte ab 1933
Im Deutschen Reich, dass sich nach den Wahlen 1932 zur Diktatur entwickelte, waren Vermögenswerte in Gefahr. Es wurden eine Reihe von Gesetzen geschaffen, die es erlaubten, Vermögen zu Gunsten des Staates einzuziehen. Betroffen waren neben Juden auch Andersdenkende, von Kommunisten über Sozialdemokraten bis hin zu Schwulen und Lesben.
Das „Großkapital“ wurde mit Sonderabgaben belegt. Zudem entwickelte sich trotz bzw. wegen der gesetzlich festgelegten Preisstopps eine versteckte Inflation.
Damals – ähnlich wie heute – wurde die Schweiz als sicherer Hafen für mobile Vermögenswerte (Bankkonten, Schließfächer, Wertpapiere, Schmuck, Gold und Silber) angepriesen. Allerdings war die Finanzindustrie lange nicht so weit entwickelt wie heute.
So kam es, dass Vermögen in die Schweiz transferiert wurde. Anfangs noch relativ offen, später aufgrund der verschärften Devisengesetzgebung im Dunkeln (Schmuggel, Mittelsmänner).
„Neutrale“ Schweiz sperrt alle deutschen Guthaben.
Die Vermögenswanderung hielt bis zum 16. Februar 1945 an. An diesem Tag verfügte der Schweizer Bundesrat (die Schweiz war im 2. Weltkrieg neutral!) die Sperrung aller deutschen Guthaben.
Selbst die Deutsche Bank, die bis zu diesem Zeitpunkt 307 Goldbarren zu je 1 Kilogramm Feingold sowie Banknoten im Wert von 1,5 Millionen Schweizer Franken deponiert hatte, verlor die Verfügungsgewalt darüber.
Kontosperrung dauerte 8 Jahre
Am 26. August 1952 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Schweizer Eidgenossenschaft in München ein Abkommen über die Freigabe des gesperrten Vermögens. Es trat jedoch erst durch das Genehmigungsgesetz vom 19. März 1953 in Kraft.
Das heißt: Knapp 8 Jahre lang konnten Deutsche nicht über ihr Vermögen in der Schweiz verfügen!
Und als die Freigabe dann kam, mussten sich alle Deutschen mit Vermögen in der Schweiz teilenteignen lassen, bevor sie über das dann übrig gebliebene Restvermögen frei verfügen durften.
Im besten Fall waren 33 % des Vermögens weg!
Deutsche Konto- und Schließfachinhaber in der Schweiz konnten optieren, ob sie ihr Vermögen in D-Mark tauschen und anschließend nach dem Lastenausgleichsgesetz zuzüglich allfälliger Nach- und Strafsteuern behandelt würden. Das hätte eine Vermögensabgabe von rund 50 Prozent als Folge.
Die andere Option bestand darin, ein Drittel des Vermögens dem Schweizer Staat zu überlassen, bevor man wieder frei über Konto und Schließfach verfügen konnte.
Festzuhalten bleibt, dass die zweite Variante (die soweit erkennbar auch Anonymität gegenüber den deutschen Finanzbehörden innehatte), für den Vermögensinhaber günstiger ausfiel als die Abgabe auf inländische Vermögenswerte.
2012 konnte sich Deutschland nicht mit der Schweiz einigen.
Das heißt jedoch nicht, dass künftig auf im Ausland aufbewahrtes Vermögen eine geringe Abgabe zu entrichten ist, falls es soweit kommen sollte. Es sei nur an das Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz im Jahr 2012 erinnert, dass nicht Gesetz wurde, weil die SPD-geführten Landesregierungen im Bundesrat dagegen stimmten. Das Gesetz sah eine pauschale und anonyme Versteuerung von Vermögen auf Schweizer Bankkonten vor.
Es wäre einmalig in der zwischenstaatlichen Geschichte gewesen, dass Schweizer Banken für Deutschland Steuern eingetrieben hätten. Der Deutsche Staat hätte Milliarden damit eingenommen.
Fahndung und Strafe statt Ablass
Die SPD wollte jedoch keine Anonymität für die Kontoinhaber und keine (günstige) Pauschalversteuerung, sondern eine korrekte Abrechnung inklusive Straf- und Säumniszuschlägen.
Stattdessen haben einige deutsche Bundesländer (hauptsächlich SPD-geführt) sich selbst als Hehler betätigt und für Millionenbeträge in der Schweiz gestohlene Bankkundendaten angekauft. Anschließend wurden Steuerermittlungsverfahren eingeleitet. Prominentes Beispiel: Der Fall Uli Hoeneß.
Zusammenfassendes Fazit
Aus Sicht des Risikomanagements ist es sinnvoll, Vermögen nicht nur auf unterschiedliche Anlageklassen, sondern auch auf verschiedene Rechtsräume aufzuteilen, also auch Vermögen außerhalb Deutschlands aufzubewahren. Zumindest, wenn das Vermögen den Umfang des Üblichen übersteigt.
Für „Kleinstvermögen“ macht das wenig Sinn, weil Aufwand und Kosten in den meisten Fällen in einem günstigen Verhältnis stehen.
Das deutsche Steuerrecht kennt derzeit nur die Versteuerung von Zugewinnen. Vermehrt sich Vermögen beispielsweise durch Zinsen oder Dividenden – und zwar unabhängig davon, ob es im In- oder Ausland passiert –, hat man diesen Zugewinn anzugeben und zu versteuern.
Tut man das nicht, beginnt der Straftatbestand der Steuerhinterziehung!
Lösungsidee nach aktuellem Recht
Es könnte eine Lösung darin liegen, Vermögen im Ausland zu halten, welches keine Zugewinne produziert. Klassisch kommen dafür Gold und Silber infrage, da Edelmetalle in Reinform keine Erträge abwerfen. Man könnte demnach tatsächlich Gold- und Silbermünzen vollkommen diskret und gleichzeitig steuerlich ehrlich in einem Schweizer Bankschließfach aufbewahren.
Dieses System funktioniert so lange, bis Deutschland wieder eine Vermögenssteuer einführt. Die Vermögenssteuer wurde in Deutschland zum Jahr 1997 abgeschafft. Das Bundesverfassungsgericht hatte sie in ihrer damaligen Form für verfassungswidrig erklärt (2 BvL 37/91, BStBl. 1995 II, S. 655).
Eine Wiedereinführung einer Vermögenssteuer dürfte zu Handlungsbedarf führen …
Allein der Blick in die deutsche Geschichte zeigt, dass wenn ein Staat ums finanzielle Überleben kämpft, drastische Maßnahmen zur Teilenteignung der Bevölkerung getroffen werden. Beispielsweise: Reichsnotopfer (1919) und Lastenausgleichsgesetz (1952). Also einmal kurz vor und einmal kurz nach dem Staatsbankrott.
Sollte jedoch die Schuldenkrise sich so zuspitzen, dass Zwangsabgaben, Sondersteuern oder dergleichen eingeführt werden, ist es zumindest nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich das auch auf Vermögen, welches sich in der Schweiz befindet, bezieht. Und ob dieses Vermögen dort weniger „angegriffen“ wird, darf geschuldet der Entwicklung in den vergangenen Jahren zumindest in Frage gestellt sein.
Nachtrag
Die Konto- und Schließfachsperrung galt auch deutsche Vermögen in Liechtenstein!
Ein toll recherchierter Artikel, vielen Dank dafür.
Gut recherchierter…Artikel, Kompliment….. due Schweiz wird oft überbewertet. Was bleibt nach Koppelung des Schweizer Frankens an den Euro und Aufweichung des Bankgeheimnisses?….. Ein grosses Skigebiet und Schweizer Käse…
Wirklich interessante Recherche und Ausarbeitung. Vielen Dank! Wie sieht es mit Liechtenstein aus? Ist das es dort sicherer als in der Schweiz?
Gesichert ist nur der Blick auf die Fakten der Vergangenheit. Damals war Vermögen in Liechtenstein genauso wie das in der Schweiz betroffen.